Wenn der Druck zu viel wird.

In meinem letzten Post habe ich über Wut geschrieben, lange Zeit meine Lieblingsemotion. Ihre Kraft schätze ich nach wie vor. Und doch gibt es auch eine spezifische Schattenseite, mit der ich mich an Generose Sehrs Blockparade „TABU-TALK: Welches Tabu sollte gebrochen werden?“ beteiligen möchte: Selbstverletzung.

Tabus in meinem Leben

Als ich den Aufruf gesehen habe, dachte ich erst: „Wow, so wichtig! Aber damit kann ich nicht gemeint sein, denn mir geht es gut und ich habe auch eine ganz normale Familiengeschichte.“

… dann habe ich ihre Beispielliste gelesen.
… und die Themen meiner Mitblogger angeschaut.
… und in Wikipedia die Definition von „Tabu“ nachgeschlagen.
… und gegrübelt.

Ich bin zurückgeschreckt. Und konnte mich anschließend nicht entscheiden. Denn mir fiel auf, dass ich sehr wohl in Berührung gekommen bin mit Dingen, die man nicht gerne öffentlich bespricht. Bei manchen hatte zwar ich keine Probleme damit, aber andere Menschen. Bei anderen sind Mitmenschen betroffen und es obliegt tatsächlich nicht mir, darüber zu sprechen. Bei einigen hatte ich Hemmungen, sie als Tabus zu klassifizieren, weil sie nicht „schlimm genug“ waren.

Doch, um auch hierfür einen Raum zu öffnen, einige der Tabus, die mir in meinem Leben begegnet sind:

  • Vaterlosigkeit
  • Mediensucht
  • Psychische Gesundheit
  • Grenzüberschreitung während der Geburt
  • Tod, offene Kommunikation und Lachen
  • Opi hunderte Kilometer entfernt allein im Pflegeheim
Und? In welche Richtung möchte der Stein fliegen? Auch das ein Tabu, oder? Unsere Gefühlswelt, sobald sie dunkel wird, sobald wir uns über andere erheben oder urteilen oder verletzend werden oder eine Schuld zuweisen wollen. Aber ich schweife ab. Ein Teil von mir hat Angst, über das Thema „Selbstverletzung“ zu schreiben. Aus zwei Gründen:
  1. Es triggert und ich muss deiner Selbstwirksamkeit vertrauen.
  2. Meine Erfahrung ist möglicherweise nicht drastisch genug, um als gerechtfertigt angesehen zu werden.

Nevertheless … here we go.

TRIGGERWARNUNG

TRIGGERWARNUNG: Bitte lies nicht weiter, wenn du definitiv getriggert würdest oder dir nicht sicher bist. Deine Gesundheit geht vor!

Hier habe ich einige Anlaufstellen aufgelistet: Hilfsangebote

Angesprochene Themen: leichte Selbstverletzungen, Selbstbestrafung mit Essen, Selbstabwertung durch Gedanken

Ich berichte hier ausschließlich von meinen ganz persönlichen, eigenen Erfahrungen. NICHT als Coach oder Mentorin, sondern ganz privat als Elena.

Dieser Artikel ist weder als Bewertung oder Abwertung, noch als Verteidigung und schon gar nicht als Ermutigung zu verstehen.

Mir geht es darum, Verständnis zu schaffen, für die Emotionen und Situationen, die damit verknüpft sein und als Trigger fungieren können. Und darum, zu zeigen, dass es auch leisere, unauffälligere Ausprägungen der Thematik gibt.

(Humor, Ironie und Sarkasmus werden bewusst eingesetzt, um den Artikel aufzulockern und die Thematik leichter verdaulich zu machen.)

Die Rolle meiner Wut

Meine Erfahrung mit Selbstverletzung hat viele Facetten. Ich vermute, es hat in meinen jungen Teenagerjahren angefangen. Wäre das nicht klassisch? In dieser Zeit war ich entweder indifferent, zu cool, um groß zu reagieren, völlig überdreht und verrückt oder wütend. Wenn ich wütend war … Moment, ich zitiere aus meinem Jahrbuch:

Era ist unser persönlicher kleiner Privat-Vesuv. Ist sie schlecht gelaunt, flieht man am besten in ein fremdes Land oder legt sich flach auf den Boden. Andernfalls kann es verheerende Auswirkungen haben ("Wenn Blicke töten könnten!"). Zu diesem Zustand kommt es meist nach schlechten Arbeiten oder wenn sie Hunger hat. (...)

Selbstbestrafung

Humorvoll ausgedrückt. Meine Wut aber konnte sich auch in Brüllen, Beleidigungen oder leichten Handgreiflichkeiten zeigen. Oder in Selbstbestrafung. Die erste Art der Selbstbestrafung war, nicht zu essen. Sehr sinnvoll besonders dann, wenn ich hungerbedingt schon gereizt war. Der Beginn war, dass ich gar nicht richtig essen konnte. Du kennst das vielleicht, wenn sich dir die Kehle zuschnürt oder dir etwas auf den Magen schlägt und du deinen Appetit verlierst. Das war alles.

Aber irgendwann war es eine Art Automatismus: Ich war wütend, also aß ich nicht.

Zugegeben, habe ich gerne und viel gegessen, wenn ich nicht wütend war (und auch alles bei mir behalten). Vielleicht erklärt sich jetzt, warum ich „nicht schlimm genug“ geschrieben habe.

Schmerz als Ventil

Nicht immer war gerade Essenszeit oder ich hungrig. Und nicht immer war ich vulkanisch wütend. Manchmal war ich vor allem angespannt. So angespannt, dass mein Körper gesirrt hat. Ein Gefühl als würden sich alle Muskeln verspannen wie zum Sprung, ohne sich je zu entladen. Als wäre mein Körper in dieser Bewegung erstarrt. Atmen fiel schwerer. Diese Anspannung ging mit Überforderung einher. Ich konnte meine Emotionen in diesem Moment nicht handhaben. Genauso wenig konnte ich dem Druck dauerhaft standhalten, ohne zu explodieren. Also habe ich ein Ventil eingebaut: Schmerz. LEICHTER Schmerz allerdings nur, insbesondere an Unterarmen und Wangen. Es war die schnellste Erleichterung, die ich kannte, die noch dazu niemand anderen belastete (glaubte ich zumindest). Eine Art Blitzableiter sozusagen.

Glücklicherweise hat mich etwas in mir abgehalten, mir etwas Schwerwiegenderes oder Bleibendes anzutun. Dafür bin ich sehr dankbar.

Abschalten

Der Vollständigkeit halber, erwähne ich noch eine weitere Variante bei Überforderung: völliges Abschalten. Für mich fühlte sich das an, als würde ich, wie auf einem Schiff, sämtliche Schotten dicht machen und mich ganz nach innen zurückziehen. Dieser Raum diente mir dazu, mich der Situation zu entziehen, durchzuatmen und etwas zur Ruhe zu kommen, bevor ich wieder eintrat in das Außen. In solchen Momenten konnte ich auch lieb gemeinte Berührungen wie Umarmen oder Streicheln fast nicht ertragen. Das war wie ein Overload an zu verarbeitenden Informationen und Reizen.

Die Schwierigkeit hierbei war, dass ich auf nichts mehr reagierte: keine Worte, keine Berührungen, keine Fragen. Ich habe alles wahrgenommen, aber eben nicht reagiert. Ich saß scheinbar emotionslos auf dem Boden und starrte vor mich hin oder durch Dinge und Menschen hindurch. Um ehrlich zu sein, kann ich nachvollziehen, wie creepy und beängstigend das wirkt.

Und um ganz klar zu sein: Es handelte sich ausschließlich um normale Konfliktsituationen. Ich war lediglich in einem Zustand der Überforderung, häufig genährt durch meine eigenen abwertenden Gedanken.

Abwertende Gedanken

Wie vermutlich jeder Teenager hatte ich rückblickend betrachtet eine dramatische Seite. Alles war schwer, die Welt unfair und überhaupt alles sinnlos. Nicht immer, meistens war ich durchaus positiv aufgelegt, aber ich kannte diese düstere Stimmung. Und ich kannte Gedanken wie:

„Ich bin eh zu doof.“

„Ich kann das nicht.“

„Ich bin nicht gut genug.“

„Warum habe ich das bloß gemacht/gesagt?“

„Ich habe das nicht verdient.“

„Ich bin eh nichts wert.“

Wenn du bis hierher gelesen hast, atme mal tiiieeef durch. Ich brauche das jetzt. Denn auch wenn ich Teenager war … etliche dieser Gedanken in ihren verschiedenen ausgeschmückten Erscheinungsformen haben sich bis ins Erwachsenenalter hinübergerettet. Da wurden sie dann noch erweitert mit lauter Erwartungen und „Dingen, die man als Erwachsener erreicht haben muss“ und Wumms! Glaubenssatz-Derby.

Lösungen

Tja, Lösungen … für mich begann die Auflösung der zugrunde liegenden Emotionen und Bedürftigkeit damit, dass ich

 

Tief gehe

Mir meine Wut und ihre Gründe anschaue, so ehrlich zu mir bin, wie möglich und mir meine eigene Bedürftigkeit eingestehe.

Hilfe hole

Mir Hilfe hole, wann immer ich sie brauche oder möchte. Manchmal reicht ein kurzes Gespräch, manchmal braucht es mehrere Termine und manchmal Körperarbeit. Unten in diesem Blogpost findest du ein paar mögliche Anlaufstellen.

Tools nutze

Viel Familienstellen und Innere Kind Arbeit gemacht habe und weiterhin mache, weil ich es liebe und als lohnenswert erachte.

Grenzen kommuniziere

Bewusst mehr auf mich achte und meine Grenzen klar kommuniziere, sowie gewisse Themen (notfalls auch Menschen) aus meinem Leben ausschließe, wenn sie mir nicht guttun.

Familie einweihe

Meine Familie informiere, wenn ich in einen Overload rutsche und ihnen erkläre, was ich in dem Moment verarbeiten kann und was nicht.

Raum nehme

Mir Raum nehme, um zu fühlen und zur Ruhe zu kommen.

Bewusst bewege

Mich bewusst bewege und bewusst atme, um Anspannungen abzubauen.

Meditiere.

Kreativ bin

Meine Gefühle beachte, sie schreibe und male und so abfließen und loslassen kann. (Siehe dazu auch gern meinen Blogpost zum Thema Wut.)

Natur genieße

Energiearbeit hinzunehme

Körper achte

Meinem Körper regelmäßig Gutes tue und meine Selbstfürsorge übe.

Bewusst esse

Auch mit Blick darauf, welche Energie und welche Nährstoffe, das Essen in meinen Körper bringt. Good vibes only ist das Ziel.

Dankbarkeit übe

Nachsichtig bin

Um mit den Worten meines Lehrers David Vosen zu sprechen: "Sei gnädig zu dir." Also übe ich Nachsicht, Verständnis und Wohlwollen, wenn etwas nicht sofort so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt oder gewünscht habe.

Hilfe holen = Stärke

Wir alle haben Themen und Herausforderungen. Wir alle haben Emotionen und Bedürfnisse. Wir alle brauchen ab und zu Unterstützung. Wenn du Hilfe brauchst, scheue dich nicht, sie dir zu holen. Ich feiere dieses Zeichen von Stärke und freue mich für jede, die das schafft. Hier sind einige mögliche Anlaufstellen:

  • Nummer gegen Kummer: anonyme und kostenfreie Telefonberatung für Kinder & Jugendliche: 116 111 oder 0800 – 111 0 333 (Mo – Sa 14-20 Uhr); Samstags 14-20 Uhr sind Peer-Berater (also selbst Jugendliche) am Telefon; bieten auch Online-Beratung an

 

  • Die Telefonseelsorge: Ehrenamtliche Beraterinnen und Berater rund um die Uhr, anonym und kostenfrei erreichbar unter: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222; bieten auch Online-Beratung an

 

 

 

 

  • NAKOS: Informationsstelle über Selbsthilfegruppen

Eine Antwort

  1. Liebe Elena, danke dir für deinen Beitrag zu meiner Blogparade. Gerade noch kurz vor Schluss und noch ein so wichtiges Thema. Besonders wichtig aus meiner Sicht, weil Selbstverletzung eben schon so früh beginnt und nicht erst, wenn bleibende Schäden oder Wunden entstehen. Und je früher wir erkennen, in welchen Spiralen wir da gefangen sind, umso früher können wir handeln und uns Hilfe holen.
    Ganz besonders deshalb danke ich dir für diesen Beitrag, denn er ermöglicht Menschen, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Und er hilft dabei, Verhaltensweisen von anderen Menschen einzuordnen. (Stichwort Abschalten)

    Alles Liebe, Generose

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Ich bin hellfühlig und hellsichtig; wissenschaftsbegeistert und naturreligiös; beständig Forschende und multidimensionale Wildcard, mit einer Vorliebe für Offenheit und Skeptizismus.

Ich übe mich in UNperfektionismus und liebe es hinter die Dinge zu schauen, Muster aufzulösen und miteinander zu verbinden, was scheinbar nicht zusammen geht. Mit rebellischer Power und sehr gerne auch spielerisch, um unerwartete, neue Impulse zu erhalten.

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